Zeitungsberichte

Ordnungsamt hat Kindern das Kicken im Park verboten

Im Lietzenseepark haben Mitarbeiter des Ordnungsamts Kindern das Fußballspielen verboten.

Stadtrat Marc Schulte verteidigt das Vorgehen seiner Ordnungskräfte. Doch so recht passt das Verbot nicht zur Selbstdarstellung des Bezirks.

VON THOMAS LACKMANN

In der Abseitsfalle. Mitarbeiter des bezirklichen Ordnungsamtes nahmen an fußballspielenden Kindern im Charlottenburger…FOTO: PRIVAT

Was bedeutet eigentlich „Geschützte Grünanlage?“ Bei Berlins Behörden gehen die Ansichten dazu offenbar auseinander. Vergangene Woche wurde einem Dutzend fünf- bis zehnjähriger Jungen von zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes auf der Schillerwiese im Charlottenburger Lietzenseepark das Fußballspielen verboten. Dem Trainer einer „Fußballschule“, der dort seit sieben Jahren, bislang unbehelligt, im elterlichen Auftrag Kinder beim sommerlichen Kicken begleitet, drohten die Ordnungshüter 20 Euro Bußgeld an. Radfahrer auf den Parkwegen wurden zum Absteigen und ebenfalls zur Kasse gebeten, darunter eine Mutter, die zwei Kinder beförderte. Eine Parkbesucherin, die Zeugin des Vorfalls wurde und den Angestellten des Bezirksamtes zurief, sie sollten sich schämen, wurde zurechtgewiesen: Sie solle „erst einmal arbeiten gehen“.

Als Michel Kooistra, der Trainer der Jungen, sich beschwerte, bestätigte man ihm im Bezirksamt, die Parkordnung untersage sportliche Aktionen auf Grünflächen, auch von Familien und bei Kindergeburtstagen. „Es ist eine Schande,“ findet Kooistra. „In New York ist es normal, dass im Park Ball gespielt wird. Zum Lietzensee gehört Fußball einfach dazu.“

Tatsächlich finden sich Parkordnungsschilder, die mitteilen, was konkret verboten ist, weder auf der Schillerwiese noch an den Eingängen zur Anlage. Lediglich das Dreieck „Geschützte Grünanlage“, schwarze Tulpe im grünen Rahmen, ist an einigen Ecken zu entdecken. Wer wissen will, was damit gemeint ist, muss das bis 2004 mehrfach ergänzte „Gesetz zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen“ vom 24.11.1997 heranziehen. Da heißt es, „Rad-, Skateboardfahren, Ballspielen, Baden, Bootfahren, Reiten und Grillen“ seien nur auf dafür ausgewiesenen Flächen gestattet.

Verbot widerspricht Selbstdarstellung des Bezirks

Die restriktive Verordnung passt allerdings nicht ganz zur Homepage des Landes Berlin, auf der Charlottenburg-Wilmersdorf optimistisch mitteilt, Erholungsanlagen des Bezirks seien „so zu benutzen, wie es sich aus ihrer Natur und Zweckbestimmung ergibt.“ Dazu gehöre: „Spazieren gehen, Picknicken oder Ausruhen und Verweilen auf Liegewiesen und Bänken. Vor allem für Kinder sind Grünanlagen der ideale Ort für vielfältige Bewegung.“ Es folgt die Einschränkung: „Intensiv ausgeübte Freizeitbeschäftigungen wie Rad- und Skateboardfahren, Grillen, Hunde ohne Leine laufen zu lassen oder Rodeln“ seien nicht überall erlaubt.

Auch Stadtrat Marc Schulte (SPD), zuständig für Charlottenburger Ordnungsangelegenheiten, scheint bei der Auslegung der Bestimmungen bisher eher großzügig zu verfahren. Als 2007 die Stiftung Schlösser und Gärten – besonders im Hinblick auf das Radeln – konsequentes Durchgreifen für den Schlosspark Charlottenburg forderte, wiegelte Schulte ab: Sein Amt werde „keine Regeln durchsetzen, die gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen“. Er wolle, falls die Stiftung auf ihrem Standpunkt beharre, eher Kontrollen reduzieren als die harte Linie durchsetzen. Als im Januar 2013 die Spielplatzkommission des Bezirks über den seinerzeit wegen mancher Grillfeste umstrittenen Preußenpark diskutierte, ließ Schulte zum Thema „Spielen auf der Liegewiese“ mitteilen: „dass in der Parkordnung ein Ballspielverbot nicht aufgenommen ist“.

Eine Frage der Kulanz

Nutzungskonflikte lassen sich jedoch, das haben auch Auseinandersetzungen um den bei der Thai-Community beliebten Preußenpark gezeigt, weder allein durch den Hinweis auf Paragrafen lösen noch durch prinzipielle Kulanz gegenüber Minderheiten. Angesprochen auf den Vorfall an der Schillerwiese verteidigt der Stadtrat zunächst seine Mitarbeiter: Grundsätzlich sei Ballspiel verboten, doch werde „kein normales Ordnungsamt“ spielenden Kindern den Spaß nehmen. Hier handele es sich aber, so habe man ihm berichtet, um vereinsmäßige Aktivitäten. Zudem habe der Trainer fälschlich behauptet, eine Genehmigung zu besitzen. Falls es nur um ein seit Jahren praktiziertes Privatkicken unter Aufsicht gehe, werde man sich bestimmt einigen. Abfällige Äußerungen seiner Leute, so sie in dieser Form gefallen seien, akzeptiere er nicht: „Solche Ausfälle gehen gar nicht“.

Marc Schulte bittet zugleich um Verständnis dafür, dass bei seinen Mitarbeitern die Stimmung nach einigen Überfall-Situationen angespannt und „prickelnd“ sei. Ordnungskräfte würden übrigens keineswegs Prämien für ertappte Übeltäter erhalten; sie seien angewiesen, vor allem auf Prävention zu setzen. Deshalb gehe es jedes Mal darum, vorhandenen Ermessensspielraum im Gespräch mit den Beteiligten vernünftig zu nutzen.

Quelle: 

Lackmann, T. (2013, 28 August). Ordnungsamt hat Kindern das Kicken im Park verboten. Der Tagesspiegel.